Da stand sie nun mit ihrem Gefährten. Auf der Terasse vor dem Wohnzimmer eines Hauses in Dayans Hafen. Sie war nun genau da, wo sie niemals hatte sein wollen. Doch hier ging es um ihren Gefährten. Sein Leben, Denn das war mit ihrem verknüpft. Und er litt nun unter ihren Jugendsünden. Was sie gar nicht in Ordnung fand. Das konnte sie nicht genug betonen!

Hier ... waren sie sicher. Und immerhin hatte das Haus einen Fluchttunnel nach draußen. Nicht, dass sie von hier drinnen würden flüchten müssen. Aber vielleicht unerkannt wohin gehen, Dinge erledigen. Eben nicht dabei gesehen werden.

Natürlich war das Haus viel zu luxuriös und bequem. Selbstverständlich würden sie es darin aushalten können. Gegen jede Form von Wetter war Raven als Halbmensch hier besser geschützt. Vermutlich würde das einen Vampir alles nicht tangieren. Sie sorgte sich dennoch, ob sie hier zu bequem finden würde. Ob sie danach noch zurück in die Wildnis konnte, wo sie sein wollte. Jetzt jedenfalls noch. Mit ihm!
Dinge, die oft für lange Zeit waren, fingen immer so an: improvisiert, nur vorrübergehend. Und so starrte sie von der Terasse auf das Haus und seufzte. Ja, natürlich würde es sich hier leben lassen. Schön behütet und nach den Regeln des Hafens. Ja klar, kein Problem. Innerlich kämpfte sie mit den Tränen, äußerlich starrte sie nun inzwischen nur in die Wohnstube.

"Kannst du damit leben?", fragte sie Michael.

Sie lächelte bei seinen Worten und ließ sich von ihm in das Haus ziehen, ohne jeden Widerstand. Auf seine Frage antwortete sie nur: "Müssen wir ja, es versuchen."

Sie dachte kurz darüber nach, wann und wie sie zuvor in ihrem Leben in einem Haus gewohnt hatte. Und sie musste zugeben, mehr Zeit in festen vier Wänden verbracht zu haben, als draußen.
Mit ihrer Mutter zusammen hatte sie kurze Zeit ihrer Kindheit in einem winzigen Appartement gewohnt. Dann bei den Großeltern, tatsächlich im Tipi und war mehr draußen als drinnen gewesen. Und das war so geblieben, bis sie - dem Alter nach viel zu früh, für den Intellekt aber passend - in das Förderprogramm aufgenommen wurde und es tatsächlich ans M I T geschafft hatte. Dort hatte sie in einem Studentenwohnheim gelebt. Doch allzulange hatte es nicht gedauert, bis sie sich gegen Manipulation und für Freiheit und ihre eigene Auffassung von Gerechtigkeit entschieden hatte. Oh - sie bedauerte es sehr, dass sie ihr Studium nicht hatte abschließen können. Und ein Teil von ihr hoffte noch immer ,dass dies aber noch passieren könnte. MIt dem typischen 'Später' und 'Irgendwann'. Und dann hatte sie obdachlos auf der Straße gelebt, aber auch immer wieder in verlassenen Häusern, Keller oder Lagerhallen übernachtet. Die Stadt war gar nicht so sehr ihrs gewesen. Aber sie hatte sich arrangieren können. Und die kurze Zeit mit Michael in den Wäldern hatte sie tatsächlich genossen.

Nun tapperte sie mit Michael mit, der sich das Haus ansah oder aber sie einfach herumführte. Ja, das Badezimmer war natürlich ein Gewinn! Statt eines zeitweise kalten Sees einfach duschen oder in der Wanne liegen, immer schön in warmen Wasser. Natürlich würde das toll sein. Der Zweifler in ihr nahm sich vor, das Wasser nie wärmer zu temperieren, als es draußen war. Der Realist in ihr wusste genau, dass sie doch ab und an in der kalten Jahreszeit der Versuchung dieses Luxus erliegen würde.

Das Wohnzimmer war so groß wie Michaels Hütte x 2. Wozu brauchte man eigentlich neben dem Bad noch weitere Räume? Ja gut, sie würde hier oder auf der Terrasse einfach mal kein Lagerfeuer errichten und ihre Nahrung zubereiten, sondern in die Küche gehen. Schon klar! Schön war, und das begeisterte sie tatsächlich, dass in einer Ecke des Wohnzimmers ein Rechner stand und LAN-Anschluss hatte. Der Rechner sah sehr neuwertig aus und vermutlich war er gut geeignet, um im Netz zu surfen. Allerdings würde sie die Firewall bis 'auf die Nieren abchecken' um sicher zu gehen, dass sie keine Probleme auslöste. Aber im Verschleiern von ID-Adressen war sie gut. ...

Und natürlich war die Küche auch perfekt eingerichtet und es fehlte an nichts. Integrierter Kaffeautomat, der den Kaffee vorher selbst mahlen würde. Und wieder stichelte ein Teil ihres Bewusstseins sie mit der Bemerkung, dass sie gar keinen Kaffee trank, sondern Wasser! Ein Cerankochfeld. Nun - damit konnte sie umgehen. Kühlschrank und Gefriertruhe mit mehr Platz als sie mit Michael zusammen - wenn er essen würde - innerhalb einer Woche verputzen können würde.
Sie löste sich von Michael und nahm sich aus einem der Oberschränke (mit Glastür!) ein schlichtes Glas und machte den Wasserhahn an. Kurz ließ sie das Wasser laufen, bevor sie ihr Glas so in etwa zu einem Drittel füllte. Dann stellte sie den Wasserhahn wieder aus und trank einen Schluck aus dem Glas. Ihr anfangs kritischer Blick lichtete sich und sie sagte mit einem Lächeln: "Das Wasser ist gut!" Wunderbar!

"Nein wir sollten hier bleiben, vorerst!" Sie drehte sich zu ihrem Gefährten um. "Wir brauchen nur die Küche und das Schlafzimmer, oder? Lass uns das ansehen." Es war nicht gerade so, dass sie glaubte, dass Michael im Bett schlafen würde. Vielleicht lieber auf dem Boden. ..: Oder, wir ... schlafen einfach auf dem Boden im Wohnzimmer. Dann nutzen wir nur die Wohnstube und die Küche. Ich ..." Sie lachte. "Ich bin ja auch die einzige, die hier eine Küche verwenden wird. Was ist dir lieber? Campen im Wohnzimmer? Oder Schlafzimmer?" Sie war offen für alles. Das Haus war ja nun auch groß genug um recht viel Blödsinn darinnen zu machen. Was sie aber natürlich nicht tun würde. Solange sie hier Gast war, würde sie sich benehmen.
"Übrigens, wo ist eigentlich dieser Geheimgang?" Schließlich sollten sie das ja wirklich wissen.